Keine Kompromisse beim Schutz geflüchteter Kinder

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Exil e.V. und 45 weitere Kinder- und Menschenrechtsorganisationen warnen anlässlich des Treffens der EU-Innenminister*innen vor Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher

Berlin, 6. Juni 2023. Exil e.V. und andere Kinder- und Menschenrechtsorganisationen rufen die Bundesregierung dazu auf, beim bevorstehenden Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni keine Vereinbarungen einzugehen, die die Rechte und das Wohl geflüchteter Kinder und Jugendlicher gefährden. Deutschland müsse konsequent gegen die Einführung von Grenzverfahren in Haftlagern, die Ausweitung sicherer Drittstaaten und die Absenkung von Verfahrensgarantien für geflüchtete Kinder und Jugendliche stimmen, so die gemeinsame Forderung.

Massive Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher

Die Organisationen warnen vor einer massiven Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher in der EU, sollten die vorgeschlagenen Reformen beschlossen werden. Bereits jetzt kommt es entlang der Fluchtrouten und an den Außengrenzen der EU jeden Tag zu Gewaltanwendung gegenüber Kindern. Die Reformpläne verstoßen nach Ansicht des Bündnisses gegen die UN-Kinderrechtskonvention und begünstigen weitere Kinderrechtsverletzungen. Nach den bisher bekannten Plänen sind auch geflüchtete Kinder und Jugendliche von Inhaftierung oder haftähnlicher Unterbringung an den europäischen Außengrenzen betroffen. Dies verstoße gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Schutz vor Folter und Freiheitsentzug. Die Organisationen ermahnen die Bundesregierung deshalb, der eigenen Ankündigung im Prioritätenpapier zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom 26. April treu zu bleiben und sicherzustellen, dass Minderjährige vom Grenzverfahren ausgenommen werden.

Kinder und Jugendliche haben eine Stimme

Zudem sollen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich wirksam gegen Entscheidungen von Behörden zu wehren. Unbegleitete Minderjährige sollen kindgerechte Unterstützung, Vormundschaft und Rechtsbeistand erhalten. Ohne effektiven Rechtsschutz und kindgerechte Verfahrensbegleitung können die Rechte und das Wohl von flüchtenden Kindern in der EU nicht gewahrt werden. „Unbegleitete Kinder und Jugendliche müssen einen Vormund haben, der sie vertritt“, erklärt Exil-Beraterin Britt Bartel. Wie dies in Drittstaaten umgesetzt werden solle, sei ihr unklar. Auch durch die geplante Erweiterung des Konzepts der sicheren Drittstaaten drohen massive Auswirkungen auf den Schutz von Asylsuchenden in der EU: Wenn Kinder und Jugendliche in der EU ankommen, können ihre Asylanträge – gemäß den aktuellen Beschlüssen des Rates der EU-Innenminister*innen – als unzulässig abgelehnt werden, selbst wenn in einigen Regionen eines außereuropäischen Landes nur ein unzureichendes Mindestmaß an Schutz gewährleistet ist.

Besondere Gefährdung vulnerabler Gruppen

„Asylschnellverfahren schließen gerade vulnerable Gruppen häufig aus“, so Bartel weiter. Denn Themen wie LGBTIQ*- Hintergrund, drohende Genitalverstümmelung bei Kindern und Jugendlichen sowie Gewalt- und Foltererfahrungen benötigten psychosoziale Betreuung und rechtliche Begleitung während der Verfahren. „Betroffene können diese Inhalte dann nicht mal schnell auf den Punkt bringen“, sagt Bartel. Überhaupt sei die diskutierte Reform ein massiver Eingriff in die Rechte Schutzsuchender. „Menschen müssen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention die Möglichkeit haben, das Land, in dem sie Schutz suchen zu betreten und dort das Asylverfahren durchführen zu können“, mahnt Bartel. Diese Regelung sei getroffen worden, weil viele Menschen, insbesondere viele jüdische Menschen, die im Nationalsozialismus fliehen mussten, an den Grenzen europäischer Länder abgewiesen wurden und in den Tod zurückgeschickt worden seien. „Die vorgeschlagene Asylrechtsreform ist ein extremer Rückschritt in diese Richtung und nicht vereinbar mit der weiterhin rechtlich gültigen Genfer Flüchtlingskonvention.“

Exil e.V. unterstützt gemeinsam mit FreiZeit für junge Geflüchtete

Das Projekt „FreiZeit für junge Geflüchtete“ von Exil e.V. setzt sich bereits seit vielen Jahren für das Wohl geflüchteter Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien ein. „Für uns war es keine Frage, dass wir diesen Appell an die Bundesregierung unterstützten“ teilt Exil-Geschäftsführerin Marlene Schriever mit. Es sei wichtig, dass viele zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinsam ihre Stimme erheben, um für die Rechte geflüchteter Menschen einzutreten und solche Reformen zu stoppen. „Außerdem hätten die geplanten Änderungen direkte Auswirkungen auf unsere Arbeit“, so Schriever. „Schutzsuchende hätten kaum mehr Zugang zu Beratung und Verfahren könnten nicht mehr ausreichend geprüft werden“, ergänzt Bartel. Damit entfielen auch Möglichkeiten, gegen verzögerte oder unrechte Verfahren und Bescheide vorzugehen. Exil e.V. rufe deshalb gemeinsam mit den mitzeichnenden Organisationen auch Unterstützer*innen auf, die Forderung zu teilen und publik zu machen.

Insgesamt 46 Organisationen haben den Appell an die Bundesregierung unterzeichnet:

Amadeu Antonio Stiftung

Amnesty International Deutschland e.V. 

Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein

AWO Bundesverband e.V.

Bordermonitoring.eu

Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – BumF e.V.

Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e.V.

Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL

Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e.V. (Bündnis KJG) 

Der Paritätische Gesamtverband

Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.)

Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Diakonie Deutschland

DISCOVER FOOTBALL

ECPAT Deutschland e.V.

Equal Rights Beyond Borders e.V.

Exil e.V.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen

Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil

Freizeit für junge Geflüchtete Exil e.V.

GRIPS Werke e.V.

IPPNW e.V. – Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs /Ärzt*innen in sozialer Verantwortung

International Rescue Committee IRC Deutschland

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland

JUMEN e.V. – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V.

Jugendliche ohne Grenzen e.V.

Kindernothilfe e.V.

KinderRechteForum (KRF)

#LeaveNoOneBehind

Lesben- und Schwulenverband (LSVD)

Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

MISSION LIFELINE INTERNATIONAL e.V.

National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN – Kinderrechtskonvention

Neue Richtervereinigung (NRV) 

Plan International Deutschland e.V. 

REFUGIO Thüringen – Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete und Überlebende von Folter

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Save the Children Deutschland e.V.

SOS Kinderdorf e.V.

terre des hommes Deutschland

Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.

Wohnschiffprojekt Altona e.V.

Worldvision Deutschland e.V.

XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. 

Zentrum ÜBERLEBEN

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