Seit Oktober bietet Exil Sprechstunden zum Familiennachzug auch in Bad Laer, Bersenbrück, Bramsche, Melle und Quakenbrück mit neu eingestellten Beraterinnen an. Zum Team gehört auch ein junger Mann, der Arabisch dolmetscht: Ouday Abou Hamed. Klaus Stakemeier sprach mit ihm über sein Leben.
Klaus: Ouday, wie verlief dein Leben, bis du deine Arbeit bei Exil aufgenommen hast?
Ouday: Vor zwei Jahren musste ich als 19-Jähriger aus Damaskus fliehen. Ich hatte erst ein Jahr zuvor begonnen, Jura zu studieren und mein Studienplatz war in Gefahr, weil ich in die syrische Armee eingezogen werden sollte. Aber ich wollte auf jeden Fall weiter studieren. Der Militärdienst wäre ein Albtraum für mich gewesen, er wäre meinem Friedensgedanken völlig zuwider gelaufen. Ich engagierte mich damals als ehrenamtlicher Sanitäter beim Syrischen Roten Kreuz.
Klaus: Heißt das Rote Kreuz in Syrien nicht Roter Halbmond?
Ouday: Nein, es gibt beides. Als Mitglied der Glaubensgemeinschaft der Drusen war mir das Rote Kreuz nicht fremd. Auf jeden Fall musste ich mich im Jahr 2015 entscheiden: Militärdienst oder Flucht. Die Entscheidung für die Flucht fiel nicht schwer: Zum einen, weil ich gerne in Ruhe weiter studieren wollte, zum anderen, um vielleicht meiner Familie helfen zu können. Ich komme aus einer Juristenfamilie und mir ist der Sinn für Gerechtigkeit in die Wiege gelegt worden.
Klaus: Wie ist dann die Flucht verlaufen?
Ouday: Im Mai 2015 floh ich über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Ungarn, wo ich drei Monate festsaß – davon war ich sogar einen Monat lang in Haft. Einfach nur, weil ich Flüchtling war! Das Essen dort war ungenießbar. Während der Zeit in Ungarn ernährte ich mich ausschließlich von Toastbrot mit Marmelade und magerte ab. Außerdem wurde mein Geld konfisziert, so dass ich nach der Entlassung nicht weiterreisen konnte. Erst als mir auf meine Familie Geld geschickt hatte, konnte ich weiterreisen. Das musste ich auch, denn ich hatte ein auf nur drei Monate befristetes Aufenthaltspapier, nachdem ich in Ungarn zunächst registriert wurde, dann aber einen Einspruch gegen den Flüchtlingsstatus eingereicht hatte.
Klaus: Und wie ging’s weiter nach Deutschland?
Ouday: Ich bin dann über Österreich nach Regensburg gekommen. In Regensburg habe ich Asyl beantragt. Daraufhin wurde ich im Transferverfahren nach Dortmund gebracht und von dort ging’s nach Marienheide. Hier habe ich meinen syrischen Pass abgegeben. Der letzte Transfer ging in die Nähe von Paderborn. In der dortigen Sammelunterkunft verbrachte ich zwei Monate und nutzte jede Gelegenheit, Deutsch zu lernen. Von dort habe ich mich auch als Gasthörer bei der Hochschule Osnabrück eingeschrieben. Bald fand ich auch eine Wohnung in Osnabrück und konnte umziehen. Zunächst habe ich dann am Angebot „Studyprep OS“ von Uni und Hochschule teilgenommen, das geflüchtete Menschen auf ein Studium in Osnabrück vorbereitet. Neben intensivem Deutschunterricht umfasst dieses auch die Vorbereitung auf das wissenschaftliche Schreiben sowie Seminare und Exkursionen zu interkulturellen Aspekten des Wohnens und Studierens in Deutschland. Endlich konnte ich selbst wieder Menschen aktiv helfen! Ich begleitete andere Geflüchtete bei Behördengängen und zu Gerichtsterminen und half bei der Wohnungssuche. Schon bald nach meiner Ankunft in Osnabrück entwickelte ich ein großes Mitgefühl gegenüber Menschen, denen Deutsch als Fremdsprache schwerfällt. Deshalb habe ich mich auch im „Buddy-Programm“ der Hochschule eingebracht, das Tandems mit internationalen Studienanfängern und Gaststudierenden anbietet.
Klaus: Wie kam dann der Kontakt zu Exil zustande?
Ouday: Auf Exil wurde ich durch die Stellenausschreibung „Dolmetscher gesucht“ aufmerksam. Da ich zu dem Zeitpunkt innerhalb von acht Monaten das B2-Niveau erreicht hatte und bereits das C1-Niveau in Angriff nahm, traute ich mich, mich zu bewerben. Nach dem Vorstellungsgespräch dauerte es nur zwei Wochen bis zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags. Damit erfüllte sich mein großer Wunsch, mit Menschen arbeiten und ihnen helfen zu können, und das auf einer anderen Stufe als bisher.
Klaus: Und fühlst du dich mittlerweile in dem Beratungsteam schon heimisch?
Ouday: Ja, das Team ist wunderbar! Hier lerne ich gerade ganz schnell das Asyl- und Ausländerrecht, speziell die derzeit geltenden Regeln für den Familiennachzug, in Theorie und Praxis kennen. Auch bekomme ich die Sorgen und Nöte derer mit, die von ihren Familien schon seit vielen Monaten getrennt leben müssen. Eine große Hilfe ist mir dabei meine Freundschaft mit Ahmed Saleh, der schon seit Längerem ehrenamtlich als Dolmetscher und Übersetzer für Exil arbeitet, jetzt Mitglied im Exil-Vorstand ist und Mitglied im Migrationsbeirat der Stadt; er gibt mir jedes Mal gute Tipps, wenn ich sie brauche.
Klaus: Und wie beurteilst du unsere Arbeit als Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge insgesamt?
Ouday: In Osnabrück lebe ich seit gut einem Jahr. In dieser Stadt geht es friedlicher zu als in vielen anderen Städten in Deutschland. Sehr schnell nahm ich wahr, dass Exil eine besondere Rolle in dieser Stadt spielt. Exil ist beispielhaft für gute und effiziente Hilfe für Geflüchtete. Jetzt hoffe ich, dass – wie vorgesehen – ab März der Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte aufgehoben wird und die Menschen nicht weiter zwei Jahre warten müssen, ehe sie ihre Familienangehörigen in die Arme schließen können. Ich könnte zur Flüchtlingspolitik in Deutschland, Europa und sonst wo noch so vieles sagen… Aber in Wirklichkeit ist die Arbeit jeder/s Einzelnen für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen das Wichtigste.
Klaus: Vielen Dank, lieber Ouday!