Ich bin als junges Mädchen nach Deutschland gekommen, weil ich mich befreien wollte. Frauen in meinem Heimatland hatten damals aus kulturellen und religiösen Gründen sehr wenig Rechte und Freiheiten.
Ein Beispiel: Obwohl die Beschneidung von Frauen offiziell verboten war, war sie weiterhin üblich. Noch heute werden in Guinea noch etwa die Hälfte der Mädchen unter großen Schmerzen beschnitten, damals waren es fast alle. Nur meine Eltern, die konsequent dagegen waren, haben mich davor geschützt. Aber für die anderen Leute galt ich damit als „unrein“, und als keine richtige Frau.
Ein anderes Beispiel: noch heute werden etwa 40 Prozent der jungen Frauen in den Dörfern gezwungen, einen Mann zu heiraten, den sie nicht selbst ausgesucht haben.
Ich kam vor 10 Jahren nach Deutschland. In Guinea hatte ich gerade mein Abitur gemacht. Die ersten 5 Jahre in Deutschland habe ich im Lager Braunschweig verbracht. Es gab für mich keine Möglichkeit, mich zu integrieren. Ich hatte so wenig Rechte, dass ich mich wie in einem Gefängnis fühlte. Ich durfte nur in Braunschweig leben. Es war für mich verboten, in eine andere Stadt zu fahren. Sonst wäre ich dafür bestraft worden. Ich konnte keinen Sprachkurs besuchen, ich durfte nicht arbeiten. Ich hatte überhaupt keinen Kontakt zu Deutschen. Wie hätte ich auch mit ihnen sprechen können? Ich fühlte mich schlecht, ohne Hoffnung, ohne Zukunft. Mein einziger Halt war die Freundschaft und Solidarität mit den anderen Geflüchteten, die mit mir zusammen im Lager waren.
Eines Tages habe ich mit einer Mitarbeiterin der Caritas darüber gesprochen, dass ich verrückt werde, wenn ich nicht irgend etwas tun kann. Arbeiten oder einen Sprachkurs machen. Sie sagte mir, dass es vielleicht die Möglichkeit gibt, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu machen. Ich war sehr glücklich über diesen Vorschlag, weil ich endlich etwas Sinnvolles tun wollte. Ich wollte gern in einem Krankenhaus helfen. Aber die Ausländerbehörde wollte mir keine Arbeitserlaubnis geben, obwohl ich dabei nicht einmal Geld verdienen würde. Diese Frau der Caritas hat sehr für mich gekämpft, und am Ende durfte ich dieses soziale Jahr im Krankenhaus doch machen. Endlich konnte ich ein Leben außerhalb des Lagers haben, ich lernte andere Leute kennen und ich konnte endlich wieder etwas lernen.
Nach fünf Jahren bin ich nach Osnabrück verwiesen worden. Dank der Hilfe durch den Exilverein konnte ich hier endlich die ersten Deutschkurse besuchen. In Osnabrück bekam ich auch eine Arbeitserlaubnis. Deswegen konnte ich ein Praktikum im Klinikum Osnabrück und einen Bundesfreiwilligen-Dienst im Marien-Hospital machen. Ich wünsche mir sehr, eine Ausbildung als Krankenschwester machen zu können. Leider sind bis heute meine Sprachkenntnisse noch nicht ausreichend dafür, aber ich hoffe, dass das bald möglich ist.
Meine Erfahrung mit Deutschland ist: Als Frau bin ich hier sehr viel freier als in meiner Heimat. Aber als Flüchtling werde ich hier oft diskriminiert. Gut ist, dass es trotzdem Menschen und Organisationen hier gibt, die geflüchteten Menschen helfen.
Diese Rede wurde im Rahmen der Demonstration „Bleib doch Mensch!“ am 6. Dezember 2016 in Osnabrück gehalten.