„Alles gut“ beeindruckt im Cinema-Arthouse

Alles gut - Podiumsdiskussion

von Klaus Stakemeier

TV Spielfilm beschreibt ihn als „mutiger, genauer und beeindruckend intimer Blick auf die Mühen der Integration“: Der zweistündige Dokumentarfilm „Alles gut“ lockte am 30. April zahlreiche Menschen in das Cinema-Arthouse. Ermöglicht hatte die Vorführung die Kooperation des Cinema-Arthouse mit den Initiativen FreiZeit für Flüchtlingskinder und UMFdenken – jetzt! von Exil – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge. Im Namen dieser Initiativen und von Exil sprach Annika Hesselmann die Begrüßungsworte und wies auf die Erfahrungen von „FreiZeit für Flüchtlingskinder“ im Aufnahmezentrum Bramsche-Hesepe hin, die Parallelen zu den im Film gezeigten Szenen aufweisen.

Der Film begleitet den achtjährigen Djaner, einen Roma aus Mazedonien, und die elfjährige Ghofran aus Syrien während der ersten Monate in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg. Djaner ist 2015 mit seiner Mutter und dem zwei Jahre älteren Bruder nach Deutschland gekommen und muss jetzt eingeschult werden. Der Zuschauer erlebt die Aufnahme in die zweite Klasse der Loki-Schmidt-Schule. Rektor, Klassenlehrerin, Mitschüler und Eltern zeigen großes Verständnis für die Schwierigkeiten, die sich beim Wunsch, voll zur Klassengemeinschaft zu gehören, anfänglich auftun. Als die Akzeptanz der Mitschüler sich ihm gegenüber gerade wieder bessert, wird die Familie mit der Abschiebung konfrontiert. Eine Zeitlang verstecken sich die Mutter und ihre beiden Jungs vor der Polizei – eine Zeit, in der die Mitschüler Djaner vermissen. Ganz andere Sorgen beschäftigt das Mädchen Ghofran, das von ihrem Vater Adel gerade mit ihrer Mutter und den Brüdern im Rahmen des Familiennachzugs nach Hamburg geholt wurde. Sofort merkt Ghofran, dass die Mädchen sich hier nicht nur anders anziehen, sondern auch anders verhalten. Sie sieht, wie Mädchen sich in der Schulpause schminken oder Fahrrad fahren. Sie bekommt Angst, dass sie gezwungen wird, sich auch derart verändern zu müssen. Als sie in einem Schulchor für eine Schulfeier mitüben soll, versteht sie nicht, warum sie vor Eltern und großem Publikum singen soll. Auch dass sie vielleicht bald mit Jungen schwimmen gehen muss, bereitet ihr Bauchschmerzen. Aber im Laufe der nächsten Monate lebt sie sich ein und der Film zeigt, wie sie lernt, Fahrrad zu fahren und wie sie fröhlich im Chor mitsingt. Monate, währenddessen ihr Vater Adel unablässig nach einer Wohnung für seine sechsköpfige Familie sucht, „damit sie sich nicht mehr wie in einem Lager fühlen müssen“ – vergebens. Mit diesem Film zeigt die Regisseurin Pia Lenz, welch vielfältige Hürden bei der Integration auftreten können und dass es verständnisvoller Menschen bedarf, damit sie gelingt.

Direkt nach der Vorführung eröffnete Moderator Kalla Wefel die Podiumsdiskussion. Zunächst stellte er gezielt Fragen an die Regisseurin Pia Lenz zur Herstellung des Films. Pia Lenz erklärte, wie es ihr gelang, das Vertrauen der beiden Familien zu gewinnen, wie sie lernte, bei verschiedensten Situationen die Kamera einzusetzen oder mal ohne Kameraeinsatz auskommen musste. Auch wie sie letztendlich mit den Familien mitlitt oder sich mit ihnen freuen konnte. Von Vornherein habe sie sich bewusst entschieden, den Film aus Sicht der beiden Kinder zu drehen.

Kalla Wefel, der gut vorbereitet und gewohnt souverän die Gespräche führte, hat selber einen Bezug zum Film, denn er wuchs in dem Stadtteil Hamburgs auf, in dem gedreht wurde und ging sogar in dieselbe Schule wie die Kinder, die allerdings damals noch einen anderen Namen trug. Zweiter Gesprächspartner war Werner Hülsmann, Integrationsbeauftragter des Landkreises Osnabrück. Angesprochen auf seine Rolle und den Umgang der Behörden mit Geflüchteten zitierte er eine Aussage eines Kindes in dem Film: „Wenn man nett behandelt wird, kann man sich auch selber nett verhalten.“ Dann kritisiert er, dass bei all der Erfahrung, die Deutschland mit Geflüchteten seit jeher hat, man immer noch so tue, als ob Deutschland kein Einwanderungsland sei. Zur Frage nach Zusammenarbeit zwischen zuständigen Landkreisbehörden und Flüchtlingshilfsvereinen betont Werner Hülsmann, dass er nie in den Organisationen eine Konkurrenz gesehen habe, vielmehr betrachte er Exil, Caritas oder Diakonie als willkommene Partner. Letzte Gesprächspartnerin war Corinna Baumann, Zweite Vorsitzende von Exil und Mitglied im Leitungsteam von Freizeit für Flüchtlingskinder. Corinna berichtete von der Arbeit des Kinderprojekts in Bramsche-Hesepe und ihrer persönlichen Begegnung dort mit einer Gruppe von Kindern aus Mazedonien, die erst neulich stattfand. Alle Kinder hätten gesagt, dass sie in Deutschland gerne zur Schule gingen, aber dass sie in Mazedonien die Schulen überhaupt nicht gut fänden. Auf Bitte aus dem Publikum erklärte Corinna ausgiebig alle Tätigkeitsbereiche von Exil und die Arbeit von FreiZeit für Flüchtlingskinder. Es folgten noch einige Fragen aus dem Publikum. Bei der letzten bestätigte Pia Lenz, dass das Filmprojekt ein Einschnitt in ihrem Leben gewesen sei. Es habe gute und schwierige Tage beim Drehen gegeben und letztlich unterliege so ein Projekt immer dem Prinzip Geben und Nehmen. Kalla Wefel beendete die Veranstaltung mit der Überreichung eines Buches und den Worten: „Du bist jetzt 31 Jahre alt und ich schenke dir ein Buch, das ich vor 31 Jahren über Hamburg und den Stadtteil, in dem du gedreht hast, geschrieben habe und das in Hamburg ein großer Erfolg war.“

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