Storytelling-Abend mit syrischen Geschichten

Haus der syrischen Geschichten

von Mona Lienemann

Am 15. November entführte das Storytelling-Ensemble „Haus der Syrischen Geschichten“ aus Berlin das Publikum im StadtGalerieCafé in die langen Nächte Syriens.

Um kurz nach sieben treten sechs Menschen auf die Bühne: „Gastgeber“ Bassam Dawood, die Geschichtenerzähler Khalid Al Aboud, Ahmad Khalaji und Taghreed Dawas sowie Dolmetscher Firas Alyounis und Cello-Spieler Athil Hamdan. Bassam Dawood erklärt, was es mit dem Storytelling-Projekt auf sich hat: In Syrien gilt Geschichtenerzählen als lange und alte Tradition. Die Geschichtenerzähler besuchten in den Abendstunden Cafés, in denen die Männer gespannt auf ihre Erzählungen warteten. Sie brachten ein Buch und einen Stock als Requisit mit. „Je nachdem, wie die Geschichte es verlangte, wurde der Stock zum Beispiel zum Schwert, sie kämpften damit im Krieg“, erklärt Dawood – selbst als Erzähler verkleidet – und macht eine schwungvolle Bewegung mit seinem Stock. Den Geschichten, die die Männer erzählten, wurde gebannt gelauscht und wenn sie den Abend mit einem Cliffhanger beenden wollten, bezahlte sogar der ein oder andere für ein zufriedenstellendes Ende.

Gespannt lauschten die Zuschauer*innen anschließend den bittersüßen Geschichten der drei syrischen Storyteller, die ihre Fluchterfahrung nicht in den Mittelpunkt stellen – doch die Wehmut klingt zwischen den Zeilen mit. So erzählt Khalid Al Aboud von der Abendgesellschaft seiner Familie, von der Diskussion über das Fernsehprogramm und über die indirekte musikalische Begleitung durch die Musik der Nachbarn. Ahmad Khalaji spannt den Bogen von der Cafékultur in Damaskus mit Shisha und hitzigen Kartenspielen zu weniger kartenreichen Nächten in Dubai hin zum Käsekuchenessen in deutschen Küchen – jeweils erzählt in Arabisch (Damaskus), Englisch (Dubai) und Deutsch (Berlin). Tahgreed Dawas erinnert sich an Wäscheleinen in den nachbarschaftlichen Gärten, die Geheimnisse vor den Augen der Nachbarn verbergen sollten und die Straßen mit dem Duft von frischer Wäsche füllten. Die Wäscheleinentradition hat sie auch in Deutschland weitergeführt und daran Erinnerungsstücke oder anderen Gegenstände aufgehängt, die ihr wichtig sind. „Aber auch diese Wäscheleine werde ich eines Tages zurücklassen müssen und an einem anderen Ort eine neue aufhängen.“, beendet Tahgreed das Programm und das Publikum bedankt sich mit lang anhaltendem Applaus.

Da der letzte Geschichtenerzähler in Damaskus vor drei Jahren starb, möchte die Gruppe die Tradition des Geschichtenerzählens in Deutschland weiterführen. „Heutzutage sind die Menschen eher Bildschirmen und Handys zugeneigt, es gibt keine Geschichten mehr“, sagt Bassam. Sie möchten in einer technisierten Gesellschaft Geschichten wieder einen Platz verschaffen. Das ist ihnen am 15. November auf jeden Fall gelungen.

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