Keine Jugendhilfe zweiter Klasse

UMFdenken

Offener Brief
an die Bundesfamilienministerin
an die Niedersächsische Landesregierung
an die Bundestags- und Landtagsabgeordneten
aus Stadt und Landkreis Osnabrück

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die MinisterpräsidentInnen der Bundesländer haben Ende Oktober einstimmig beschlossen, der Bundesregierung ein Absenken der Betreuungsstandards für „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ („umF“) in der Jugendhilfe zu empfehlen. Geplant ist, Leistungen der Jugendhilfe nur noch bis zum Erreichen der Volljährigkeit zu gewähren. Bisher kann Unterstützung über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus beantragt werden. Diese ist für junge Menschen mit Fluchtgeschichte oft unentbehrlich, um eine Lebensperspektive in der neuen Heimat entwickeln zu können. Zudem soll der Einsatz von Betreuungskraft pro Kind deutlich reduziert werden. Ziel dieser Maßnahmen sind ausschließlich unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Diese werden derzeit – wenn nötig – bei den verschiedenen Trägern der Jugendhilfe in Heimen untergebracht. Gerade Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung bedürfen eines besonderen Betreuungsangebotes. Genau für diese Gruppe jedoch soll jetzt die Jugendhilfe zurückgefahren werden.

Eine derart kinderrechtswidrige Diskriminierung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter planen die Bundesländer vor allem aus Kostengründen. Die Landesregierungen unterliegen jedoch einem Trugschluss, wenn sie annehmen, eine Verringerung der Betreuungsleistungen senke Kosten. Im Gegenteil wirkt sich eine derartige Maßnahme mittelfristig kostensteigernd aus: Werden die unbegleiteten Minderjährigen derart unterversorgt, steigt das Risiko für Probleme in den Bereichen (Aus-)Bildung, Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit.

Noch liegt kein konkreter Gesetzentwurf vor. Gegen diese seit einiger Zeit diskutierte Gesetzesänderung regt sich jedoch bereits breiter Widerstand. Nachdem zu unserem Entsetzen auch die niedersächsische Landesregierung dieser Idee zugestimmt hat, möchte Exil – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge e.V. betonen, dass wir uns dem Appell der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (und anderer) vom 26.10.2016 vollumfänglich anschließen: Für unbegleitete minderjährige Geflüchtete darf es keine Jugendhilfe zweiter Klasse geben.

Im Namen von Vorstand und Mitgliedern,

Andreas Neuhoff
Vorstandsvorsitzender

 

Appell der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe

Weitere Beiträge