Seit knapp einem halben Jahr hat unser Verein mit Marlene Schriever einen neuen Finanzvorstand. Wer ist Marlene Schriever und wie kam sie zu uns? Klaus Stakemeier sprach mit ihr über ihr Engagement, den Verein und „das liebe Geld“.
Klaus: Marlene, als für die Neuwahl des Exil-Vorstands bei der Mitgliederversammlung am 11. Mai jemand für die Stelle des Finanzvorstands gesucht wurde, warst du auf Nachfrage ziemlich schnell damit einverstanden, die Aufgabe zu übernehmen. Schufen Studium und Beruf die Voraussetzung dafür oder war es ganz anders?
Marlene: Die Voraussetzung dafür schuf erst mal das Gefühl, dass ich hinter der Arbeit von Exil stehe und mich direkt wohl gefühlt habe. In einem solchen Verein konnte ich mir vorstellen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Mein Studium – ich habe Internationale BWL an der Hochschule Osnabrück studiert – bildet den fachlichen Rahmen, um die Finanzgeschäfte etwas genauer verstehen zu können. Aber natürlich stellt mich die Tätigkeit als Finanzvorstand vor Herausforderungen, denn die Finanzen sind in letzter Konsequenz oft der Knackpunkt. Die Tätigkeit im Vorstand hat sich ja auch durch die Aufnahme einer Geschäftsführung grundlegend geändert. So werde ich nun von Sara Höweler und Christoph Ruf, dem ehemaligen Finanzvorstand und jetzigem Buchhalter von Exil, sehr gut unterstützt. Beruflich sehe ich den Anknüpfungspunkt an die Arbeit bei Exil dann eher bei meiner Vorliebe für gesellschaftlich relevante Themen: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftige ich mich mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland.
Klaus: Vor deiner Wahl in den Vorstand warst du bei uns als Deutsch-Sprachlernhelferin aktiv. Wie kam es dazu und warum bei Exil?
Marlene: Genau, vor etwas mehr als 2 Jahren bin ich in den Deutschunterricht eingestiegen, damals noch in der „Villa“ an der Sedanstraße. Ich liebe mein Leben bunt und voller Menschen. Die damalige Stimmung entwickelte sich zunehmend negativ und ich merkte erschreckenderweise auch in meinem Umfeld, dass rassistische Äußerungen immer salonfähiger wurden. Es herrscht mir insgesamt zu viel „die anderen“ und zu wenig „wir“- das gilt ja nicht nur für den Umgang mit Geflüchteten. Die Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist: In was für einer Gesellschaft möchte ich leben? Die Antwort, auch wenn sie idealistisch klingt, liegt für mich nahe: In einer bunten Welt, die Teilhabe zulässt und fördert. Sprache ermöglicht Teilhabe. Mir war also klar, dass ich mich engagieren möchte. Mir war aber auch wichtig, wo ich ehrenamtlich tätig bin. Exil bezieht auch politisch Stellung, prangert immer wieder Missstände an und findet meiner Meinung nach einen guten Mittelweg zwischen engagierter Mitarbeit in der Gesellschaft und der Notwendigkeit, ihr zuweilen mit einem kritischen Blick zu begegnen. Damit kann ich mich identifizieren. Außerdem hatte ich damals nur einen Halbtagsjob und meine Mutter ist Deutschlehrerin, da lag die Kombination nahe. So haben wir dann den Deutschkurs als Mutter-Tochter Tandem, meistens mit dem Familienhund Pelle im Schlepptau, gestartet und das ist noch immer so – mittlerweile aber in den Räumen der Bergkirche. So ein Kurs macht ja auch einfach unglaublich Spaß und ich genieße die Bereicherung.
Klaus: Wie beurteilst du jetzt deine Arbeit als Finanzvorstand und wie siehst du die Zusammenarbeit von Mitarbeiter*innen und den anderen Vorstandsmitgliedern?
Marlene: Die Arbeit als Finanzvorstand ist vor allem mit Blick auf das Wachstum des Vereins nicht immer einfach, denn jede*r neue Mitarbeiter*in muss ja auch langfristig auf der Einnahmen-Seite abgebildet werden. Außerdem steige ich jetzt in einer Umbruchphase ein, denn die „Reserven“ aus den Zeiten der gesellschaftlich wahrgenommenen Flüchtlingskrise – wie bei den meisten Organisationen kam es hier zu einem erhöhten Aufkommen von Spenden und Fördermitteln – gehen zur Neige und es muss ein Umdenken stattfinden. Der Bedarf wird aber leider nicht weniger. Für mich stand also zunächst einmal viel Einarbeitung an, sodass ich auch in Zukunft die Projektanträge und den Kurs des Vereins mit einem kritischen Blick hinterfragen kann. Durch unsere engagierte Geschäftsführerin wird uns aber auch hier viel Arbeit abgenommen. Zentral sind nun insbesondere die Themen der Spenden und Mitgliedsbeiträge. Hier müssen wir in Zukunft noch mehr tun, um uns ein finanzielles Polster für unsere Arbeit zu schaffen. Die Zusammenarbeit im Vorstand ist bisher sehr gut. Mir gefällt der Mix, wir haben Menschen dabei, die Exil seit den Anfängen begleiten, aber auch viele, die weiter aktiv in ehrenamtlichen Gruppen tätig sind oder Einblicke aus anderen Tätigkeitsbereichen in Osnabrück einbringen können. Das führt dazu, dass wir nah an den Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen dran sind bzw. dazugehören und gleichzeitig das Geschehen in Osnabrück miterleben. Das ist mir wichtig.
Klaus: Dir liegt auch die Arbeit mit geflüchteten Frauen sehr am Herzen. Rosa Friesen und Samira Mareghni leiten die Internationale Frauengruppe, es gibt die Gruppe »Frauen treffen Frauen – Sprache schafft Vertrauen« und in Kürze bietet Exil zusätzlich die Maßnahme »Qualifizierung geflüchteter Frauen für den Arbeitsmarkt (QUFA)« an. Hält Exil damit ein umfassendes Angebot für geflüchtete Frauen bereit und wo speziell engagierst du dich hier?
Marlene: Ergänzend zu den Deutschkursen habe ich vor ca. einem Jahr begonnen, Rosa Friesen bei der Internationalen Frauengruppe zu unterstützen. Diese Themen hängen eng zusammen, denn nur wenige Frauen können Deutschkurse besuchen und das ist ein Punkt, den wir als Gesellschaft besser machen müssen. Insbesondere zum Beispiel, was die Angebote mit Kinderbetreuung angeht, die dann oftmals erst einen Besuch eines Deutschkurses möglich macht. Auch hier hat Exil bereits gemeinsam mit der Universität Osnabrück ein Angebot geschaffen. Exil bietet sicherlich ein vielseitiges Programm für Frauen an, kommt aber auch an seine Grenzen. Unsere Internationale Frauengruppe wächst stetig und manchmal ist die Anzahl der Teilnehmerinnen eine ziemliche Herausforderung. Der Wunsch nach Vernetzung ist also da. Das QUFA-Projekt ist meiner Meinung nach ein logischer Schritt, denn Exil kann auf der durch die Frauenarbeit geschaffenen Vertrauensbasis aufbauen und Frauen so für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Sehr wichtig ist auch der positive Effekt der Freizeitangebote auf die Anzahl der Frauen in der Beratung bei Exil. Wir verzeichnen hier im Vergleich zu anderen Beratungsstellen einen besonders hohen Frauenanteil und über dieses Vertrauen freuen wir uns. Ich selbst gehe gerne zu den Treffen der Internationalen Frauengruppe in der Katholischen FaBi, nehme an Ausflügen teil und möchte insbesondere auch für jüngere Mädels in Zukunft mehr Angebote schaffen. Zu den Treffen ist natürlich jede gerne eingeladen!
Klaus: Unsere Beraterinnen haben im letzten Jahr über 2.000 Beratungsgespräche geführt. Alles deutet darauf hin, dass die Zahlen in diesem Jahr weiter wachsen werden. Gleichzeitig bieten wir neben Sprachkursen zahlreiche Freizeit-, Kultur- und Begegnungsprojekte an, und über 300 Ehrenamtliche engagieren sich in den unterschiedlichsten Arbeitsgruppen. Meinst du, dass das in der Bevölkerung und Lokalpolitik bekannt ist und angemessen gewürdigt wird?
Marlene: Schwierige Frage. Immer wieder hören wir, wenn wir den Verein vorstellen: „Das alles macht Exil? Ich wusste gar nicht, dass die Angebote so umfangreich sind.“ Ich denke, Exil ist bekannt, aber vielleicht nicht die Vielzahl der Angebote. Da ist es an uns, zu informieren und uns zu vernetzen. Gerade mit Blick auf die erschreckenden Ergebnisse der Bundestagswahl, geht es für mich gar nicht so sehr darum, dass wir angemessen gewürdigt werden, sondern um Engagement und Solidarität. Ich glaube, wir können uns engagieren und deutlich machen, dass wir diesen Rechtsruck nicht dulden wollen. Exil bietet dafür, neben ganz vielen anderen tollen Organisationen, eine Plattform. Manche spenden Zeit, andere Geld. Aber wir alle müssen ein offenes Ohr für Fragen der Menschenrechte haben. Das wünsche ich mir von der Bevölkerung: Mehr Rückgrat in diesen Fragen. Von der lokalen Politik wünsche ich mir ganz klar eine Verstetigung der Finanzmittel, um auch in Zukunft die Beratung und die ehrenamtlichen Gruppen finanzieren zu können. Die Beratungsleistung der Berater*innen ist enorm und bildet eine Säule von Exil, aus der wir auch viele Erfahrungen für unsere ehrenamtlichen Gruppen und andere Projekte ziehen. Leider lässt sich diese Tätigkeit nur in Einzelfällen über Projektmittel finanzieren und hier muss die Lokalpolitik ihrer Pflicht nachkommen, denn wir unterstützen die Stadt und den Landkreis Osnabrück an dieser Stelle bei einer nachhaltigen Integration.
Klaus: Kaum kanntest du unseren Verein durch deine Sprachkurs-Ehrenamtsarbeit, stelltest du den Antrag auf Exil-Mitgliedschaft. Warum war dir das von vornherein so wichtig?
Marlene: Na ja, ganz so unmittelbar war das leider nicht und im Nachhinein frage ich mich, warum ich nicht früher eingetreten bin. Damals war sicherlich das Studentendasein ein Punkt. So eine Mitgliedschaft hört sich ja erst mal ziemlich verbindlich an. Mit meinem jetzigen Blick auf die Dinge sehe ich das aber ganz anders. Das Ausmaß der eigenen Beteiligung hat man ja immer selbst in der Hand und für den Verein bedeutet es sehr viel. Einerseits von einer breiten Mitgliederzahl getragen zu werden und andererseits aber auch, Finanzmittel zu haben, mit denen man planen kann. Die Mitgliedsbeiträge liegen mit 20 bzw. 50 Euro ja total im Rahmen. Wir freuen uns über Mitglieder, die den Verein aktiv begleiten aber auch über alle, die die News aufmerksam verfolgen oder im Hintergrund die Arbeit unterstützen. Unser Jubiläumsjahr „30 Jahre Exil“ mit noch mehr Mitgliedern beschließen zu können, fände ich wunderbar. Es gibt dann auch eine selbst gebastelte Weihnachtskarte 😉