Gesichter des Vereins: Annika Hesselmann

Annika Hesselmann

Annika Hesselmann engagiert sich seit drei Jahren in unterschiedlichen Bereichen bei Exil und arbeitet mittlerweile als Beraterin zur Familienzusammenführung. Klaus Stakemeier traf sie zum Gespräch und sprach mit ihr über ihren Werdegang und ihre Motivation.

Klaus: Annika, warum kamst du zu Exil und wie fing‘s an?

Annika: Das war 2014. Da waren die Themen Flucht und Migration in Deutschland sehr präsent und ich wollte mich engagieren, um Position zu beziehen meine politischen Haltung deutlich zu machen. Dadurch wurde ich auf Exil aufmerksam, wo ich im Herbst 2014 mit Deutsch-Unterricht in Sprachlerngruppen begann und anschließend Deutschkurse in Kooperation mit dem Jugendzentrum Westwerk gab. Parallel fing ich an, mich im Kinderprojekt „Freizeit für Flüchtlingskinder“ zu engagieren und war dort insbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Klaus: Mir begegnen immer wieder Sprachlernhelfer*innen, die dich als Koordinatorin für Sprachkurse kennen. Wie kam es dazu und was waren dein Aufgaben?

Annika: Der damalige Vorstand kam im Frühjahr 2015 mit der Frage auf mich zu, ob ich mir vorstellen könnte, die Deutschkurse von Exil zu koordinieren. Das konnte ich und habe die Stelle bis August 2016 ausgefüllt. Dabei ging es darum, die Strukturen in diesem Bereich aufzubauen und zu professionalisieren, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, Weiterbildungen für die Lehrenden zu organisieren und letztlich auch beim Fundraising und der Suche nach neuen Kooperationspartnern mitzuwirken.

Klaus: Im Sommer vorigen Jahres gabst du die Sprachkurskoordination an Jara Hofmann ab, denn dich interessierte mittlerweile noch etwas anderes: die Beratung.

Annika: Richtig. Die politische Arbeit und der Umgang mit unseren Klient*innen hat bei mir ein größeres Problembewusstsein geschaffen. Der Familiennachzug bietet für viele Menschen die einzige Möglichkeit, legal nach Europa zu kommen, wird aber immer stärker eingeschränkt. Ohne Beratung und Unterstützung haben viele Menschen gar nicht die Möglichkeit, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Da wollte ich helfen.

Klaus: Deine jetzige Arbeitsplatzbezeichnung lautet: „Migrationsberatung, Schwerpunkt Familiennachzug“. Was gehört zu deinen Aufgaben?

Annika: Ich berate geflüchtete Klient*innen, die alleine nach Deutschland gekommen sind und ihre Familie nachholen wollen, und auch Sozialarbeiter*innen, Vormünder und ehrenamtliche Unterstützer*innen, die zu dem Thema Fragen haben. Ich kommuniziere im Auftrag unserer Klient*innen mit Botschaften und Behörden, verfasse Anträge und Anschreiben und buche die Termine bei den Botschaften. Darüber hinaus betreue ich gemeinsam mit unserer Ehrenamtskoordinatorin das Team von Ehrenamtlichen, die während der offenen Sprechstunden gemeinsam mit Dolmetscher*innen beraten. Ich bin wirklich super glücklich darüber, dass wir ein so tolles und kompetentes Team haben, ohne das die Beratung in der Form aufgrund der hohen Nachfrage momentan gar nicht möglich wäre.

Klaus: Annika, wo siehst du Hindernisse für deine Arbeit und welche Wünsche hast du persönlich?

Annika: Das ist eine Frage, die ich gerne aufgreife! Es gibt wirklich viele Dinge, die mich unwahrscheinlich frustrieren. Dazu gehören zum Beispiel die Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtige oder eine neue Weisung des Auswärtigen Amtes, die den Nachzug der Geschwisterkinder von unbegleiteten Minderjährigen nahezu komplett verhindert. An der Front kämpfen wir schon lange und es wird einfach immer nur schlimmer und restriktiver. Außerdem sind für die Familien in den Herkunfts- oder Transitländern die Wartezeiten so unglaublich lang, dass ich den Verdacht nicht los werde, dass es sich dabei um politisches Kalkül handelt. Denn – das zeigt die Erfahrung – je länger die Wartezeiten sind, desto schneller geben die Menschen auf und kehren im Zweifelsfall zu ihren Familien in die Türkei oder den Libanon zurück. Das schreckt auch andere ab, die neu nach Deutschland kommen wollen.

Was mich auch aufregt sind die Verwaltungen, die ihre Spielräume ganz häufig zum Nachteil unserer Klient*innen nutzen. So lassen die Behörden so gut wie nie Ausnahmen von der Passpflicht zu. Das führt dazu, dass zum Beispiel Syrer*innen, die als oppositionell eingestuft werden und deshalb keine Pässe bekommen, vom Familiennachzug ausgeschlossen werden, obwohl gerade ihre Familien ganz dringend ein Visum bräuchten.

Es ist sehr frustrierend, innerhalb eines solch defizitären Systems zu arbeiten. Auch wenn wir im Einzelfall immer versuchen, das Beste für unsere Klient*innen rauszuholen, bleiben grundlegende Probleme bestehen. Mein großer Wunsch wäre, daran mitzuwirken, den momentanen politischen Kurs nachhaltig zu ändern. Ich glaube, dass das nur über die Bürger geht, deshalb ist es mir äußerst wichtig, nebenbei vermehrt auch Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu leisten. An Exil schätze ich sehr, dass der Verein die dafür notwendige Plattform bietet.

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