Gesichter des Vereins: Andreas Neuhoff

Andreas Neuhoff

Im Jahr 1987 wurde Exil gegründet. Aus dieser Anfangszeit war nur ein Mensch durchgängig aktiv im Verein tätig und ist es auch heute noch: Andreas Neuhoff. Als langjähriger Vorsitzender und Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet Ausländer- und Aufenthaltsrecht wird er von vielen Menschen in Stadt und Landkreis Osnabrück mehr als andere mit Exil in Verbindung gebracht. Höchste Zeit also, ihn auch in dieser Rubrik vorzustellen. Das Interview hat Klaus Stakemeier geführt.

Klaus: Was brachte dich vor 1987 dazu, Interesse für das Thema Flucht und Migration zu entwickeln und wie kamst du in Kontakt mit den Akteuren der ersten Flüchtlingshilfe-Initiativen in Osnabrück?

Andreas: Bereits während meines Studiums in Berlin habe ich ehrenamtlich bei der Berliner Gruppe von Amnesty International mitgearbeitet. Das Asylverfahren lief damals ganz anders ab. Der Asylantrag wurde schriftlich gestellt und entsprechend begründet. Wir haben damals die schriftlichen Begründungen geschrieben und an das Bundesamt übersandt. Das war sehr spannend, da wir die ersten waren, die überhaupt zum Fluchtschicksal Fragen stellten und die Geschichten erfuhren, die die Menschen veranlasst hatten, ihr Land zu verlassen. Als ich dann nach dem Studium nach Osnabrück zurückkam, wollte ich mich weiterhin auf diesem Gebiet engagieren und fand einen Zeitungsbericht über die Gründung des Verein Exil, der sich soeben konstituiert hatte. So kam es, dass ich unmittelbar nach der Gründung des Vereins dazu stieß.

Klaus: Schon bald hast du die Entwicklung in der Flüchtlingspolitik aus doppeltem Blickwinkel mitver-folgen können – zum einen als Anwalt, zum anderen als Vorsitzender unseres Vereins. Wie können wir uns das vorstellen: Verschmelzen die Aufgaben miteinander oder ist es notwendig, die eine von der anderen Arbeit exakt zu trennen?

Andreas: Natürlich war es nicht immer einfach, Beruf und Ehrenamt als Vorsitzender des Vereins unter einen Hut zu bringen. Ehrlich gesagt war in diesem Zusammenhang allerdings das Schwierigste, dass mir nie genug Zeit blieb, das nach meinen Vorstellungen Notwendige für den Verein zu tun, weil ich als Anwalt immer zeitlich sehr eingespannt in meinen Beruf war. Es kamen aber auch andere Probleme dazu: Ich erinnere mich, dass der damalige Leiter des Sozialamtes eines Tages in meiner Kanzlei im Wartezimmer saß, weil er erfahren hatte, dass ich gegenüber dem Sozialamt als Anwalt Mandanten vertreten hatte und andererseits als Vorsitzender des Vereins über das Sozialamt für den Verein Fördermittel beantragt und bewilligt erhalten hatte. Er sah darin ein Problem, dass ich einerseits von ihm Geld erhielt für den Verein, andererseits gegen das Sozialamt in Verwaltungsverfahren tätig war. Ich habe das nicht als einen so großen Konflikt gesehen, habe aber erklärt, mich auf diesem Rechtsgebiet zumindest gegenüber der Stadt Osnabrück zurückzuziehen. Für die Beratungspraxis des Vereins war und ist auch immer völlig klar, dass immer, wenn die Einschaltung eines Anwalts unumgänglich wird, nicht ausschließlich mein Name genannt wird, sondern dass den Menschen eine Liste übergeben wird mit Namen von Anwälten, die im Flüchtlings- und Migrationsrecht tätig sind, an die sie sich in Osnabrück wenden können.

Klaus: Egal wo du in der Öffentlichkeit auftauchst – du bist sehr schnell umringt von Fragestellern. Für viele Geflüchtete bist du in deinem Einsatz für Exil als Ratgeber bekannt, aber auch viele Ehrenamtliche und ebenso Beraterinnen unseres Vereins und andere Flüchtlingssozialarbeiter*innen vertrauen auf deine rechtlichen Auskünfte. Wie ich einige Male miterleben konnte, nimmst du dir stets Zeit für deine Antworten. Siehst du darin vielleicht eine Aufgabe, die Inhalte gesetzlicher Regelungen und der sich daraus ergebenden Rechte bekannt zu machen und zu verteidigen?

Andreas: Man sollte, was ich in diesem Zusammenhang tue, nicht zu hoch hängen. In der Regel geht es eher darum, auf Fragen zu antworten, die Einzelfälle betreffen. Mit solchen Fragen werde ich ständig auch außerhalb meines Büros konfrontiert. Das hat leider auch zur Folge, dass ich bestimmte Veranstaltungen meide, wenn ich meine Ruhe haben möchte und nicht permanent auf das Thema Flucht und Asyl angesprochen werden möchte. Allerdings halte ich oftmals Vorträge zu den Themen Flucht und Asyl. Das macht mir meistens viel Spaß, weil es eine ganz andere Tätigkeit als die Einzelfallberatung ist.

Klaus: Im Mai 2017 hast du nicht mehr für den Vorsitz des Vereins kandidiert, sondern ließest dich zum Beisitzer wählen. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, unseren Vorstand mit dem Vorsitzendem Tim Zumloh, der stellvertretenden Vorsitzenden Corinna Baumann und Finanzvorstand Marlene Schriever deutlich zu verjüngen. Keiner kennt Exil so gut wie du. Waren diese Verjüngung, die Berufung von Sara Höweler zur Geschäftsführerin und die Schaffung weiterer Personalstellen, um den anwachsenden Anforderungen bei der Integration gerecht werden zu können, für Exil folgerichtig und siehst du uns auch für die nächsten Jahre gut aufgestellt?

Andreas: Über viele Jahre – Ende der 90er und Anfang der 00er Jahre – war die personelle Situation im Verein dadurch geprägt, dass diejenigen, die sich im Vorstand engagierten, zum größten Teil Rentner bzw. im Rentenalter waren. Ich war eine Zeit lang das jüngste Vorstandsmitglied in diesem Zeitraum. Da habe ich mir schon Sorgen gemacht, wie wir es schaffen können, für die Vereinsarbeit auch junge Leute zu mobilisieren. Das geschah dann letztendlich über die Gruppe „FreiZeit für Flüchtlingskinder“. Von dort kamen einige junge Leute, die sich dann auch außerhalb der Gruppe für den Verein und dann auch für die Vereinsarbeit interessiert haben. Um Menschen in die Vereinsarbeit einzubinden, muss man ihnen auch Aufgaben stellen. Tim und Corinna kannte ich schon eine Zeit lang und ich war fest der Meinung, dass beide für den Verein genau die Richtigen sind. So hatte ich ein gutes Gefühl, die Angelegenheiten des Vorstands in ihre Hände zu legen, zumal Corinna ja auch bereits seit einiger Zeit im Vorstand tätig war. Ich selbst genieße in gewisser Weise, in die zweite Reihe getreten zu sein. Als Beisitzer kann ich unmittelbar am Vereinsleben teilnehmen, dem Vorstand helfen und zuarbeiten, habe aber nicht mehr die große Verantwortung, wie das in den Jahren davor war. Dazu muss man allerdings auch feststellen, dass die Schaffung der Stelle einer Geschäftsführerin eine völlig neue Situation entstehen ließ. Der Vorstand, der ehrenamtlich die Dinge regeln musste, die nun von Sara Höweler geregelt werden, war in Anbetracht der gewachsenen Aufgaben und der vielen neuen Mitarbeiter völlig überfordert. Durch die Geschäftsführungsstelle wurde alles anders. Der Vorstand ist von „dem täglichen Geschäft“ entlastet und kann sich um programmatische Entscheidungen und zukünftige Entwicklungen kümmern. Mit den jungen Leuten im Vorstand und der Geschäftsführerin Sara Höweler haben wir eine ideale Ausgangsbasis für eine erfolgreiche zukünftige Vereinsarbeit geschaffen.

Klaus: Für meine letzte Frage, Andreas, habe ich nochmal nachgeschaut: Du bist am 25. August 1987 Exil-Mitglied geworden. Warum war dir das wichtig?

Andreas: Vorhin habe ich ja bereits etwas zu meinen Motiven erklärt, warum ich seinerzeit Mitglied im Verein geworden bin. Auch damals war es eine bewegte Zeit in der Flüchtlingspolitik, die ja mal mehr und mal weniger Konjunktur hat. Die Unterbringungssituation in Osnabrück und auch in anderen Städten für geflüchtete Menschen war katastrophal. Viele Bürger auch außerhalb des Vereins wurden aktiv. Staatliche geförderte Sprachkurse und Integrationskurse gab es gar nicht. Die Asylverfahren dauerten jahrelang. Es war bitter nötig, dass hier etwas geschehen musste und es war gut, dass das bürgerschaftliche Engagement der Verwaltung und der Politik Feuer unter dem Hintern machte. Bevor 2015 so viele Geflüchtete kamen, war die Politik auf einem guten Weg. Es bestand eine verhältnismäßig große Bereitschaft, die Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich bemerke, dass in der Politik intensiv zurückgerudert wird. Über die Gründe möchte ich hier nicht diskutieren, das würde den Rahmen sprengen. Tatsache ist jedoch, dringender denn je ist es erforderlich, dass in vielfältiger Weise eine Organisation wie unser Verein die Kräfte bündelt, die bereit sind, sich gegen den Wind zu stellen, der ihnen und den Geflüchteten entgegenweht. Das kann man tun, indem man praktische Arbeit leistet und geflüchtete Menschen unterstützt in den Gruppen, die praktische Flüchtlingsarbeit machen oder man kann sich auch in Gruppen engagieren, deren Aufgabe es ist, durch Öffentlichkeits- und Kulturarbeit die Akzeptanz für Geflüchtete in der Gesellschaft zu erhöhen.

Weitere Beiträge