Gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Flucht ist kein Verbrechen

Offener Brief
an den Niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius

 

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius,

wir bitten Sie als Landesinnenminister offiziell Stellung zu beziehen, ob sich Niedersachsen an der Praxis der Abschiebung nach Afghanistan beteiligen wird. Wir bitten deshalb um eine klare Stellungnahme, weil die unterschiedlichen Positionen, die von verschiedenen Ämtern der Bundesrepublik öffentlich kommuniziert werden, für Unklarheit sorgen:

Am 31. August 2016 hat das Auswärtige Amt folgende Reisewarnung für das Land Afghanistan herausgegeben: „In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Landesweit, auch in der Hauptstadt Kabul kann es zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und andere Gewaltverbrechen kommen.“ Diese Warnung belegt, dass Afghanistan kein sicheres (Herkunfts-)Land ist. Somit dürfte eigentlich niemand nach Afghanistan abgeschoben werden.

Dennoch hat Deutschland am 2. Oktober ein Rücknahmeabkommen mit Afghanistan geschlossen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert die Bundesländer auf, das Abkommen „zügig mit Leben zu füllen“. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat schreibt dazu: „Viele der Rückkehrer dürfte jetzt eine schwierige Zukunft bevorstehen – schon vorher wurde berichtet, dass sie in Kabul nicht wie versprochen Unterstützung erhalten. Auch von dem Jobprogramm, das der afghanische Präsident Ghani im letzten Jahr vor dem Hintergrund der großen Fluchtbewegungen versprach, ist in Afghanistan nichts zu sehen.“

Wie bedrohlich die Situation in Afghanistan ist, zeigen die jüngsten Ereignisse vom 10. November in Masar-i-Scharif in Nordafghanistan. Dort sprengten die Taliban mit Hilfe eines Kleinlasters die Außenmauer des Geländes des deutschen Generalkonsulats. Spiegel Online berichtete: „Auf dem Konsulatsgelände tobte ein erbitterter Kampf. Das Schutzteam der Bundespolizei lieferte sich ein heftiges Feuergefecht mit den Angreifern.“

Das deutsche Generalkonsulat liegt in Trümmern. Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier rief noch in derselben Nacht den Krisenstab ein. Auch wenn keiner der Diplomat*innen und Mitarbeitenden der Botschaft verletzt wurde, ist Afghanistan weder ein sicherer Arbeitsort noch Aufenthaltsort. Deswegen hat das Auswärtige Amt auch alle Diplomat*innen zurück nach Deutschland geholt. Thomas de Maizière liegt falsch mit seiner Aussage, dass Afghanistan sicher genug sei, um dorthin abzuschieben.

Herr Minister Pistorius, bisher haben Sie sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan gestellt. Die Situation im Land hat sich nicht verbessert und ist somit nicht sicherer geworden – die Fluchtgründe existieren weiterhin. Deswegen unsere Bitte: Beziehen Sie Stellung und sprechen Sie sich weiterhin gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus!

Im Namen von Vorstand und Mitgliedern,

Andreas Neuhoff
Vorstandsvorsitzender

 

Quellen:

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