Am Mittag des 12. November trafen sich mehrere niedersächsische Flüchtlingsinitiativen zum Informationsaustausch im Osnabrücker Schloss. Exil war mit einer vierköpfigen Delegation vertreten. Eingeladen hatten der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., der Verein niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB), die Caritas in Niedersachsen und das Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
Niedersachsen: Mittlerweile zwei Ankunftszentren und vier Erstaufnahme-Einrichtungen
Nachdem Laura Müller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen alle begrüßt hatte, sprach Dr. Susanne Graf vom Niedersächsischen Innenministerium zum Thema „Erstaufnahme von Asylsuchenden aus Sicht des Landes“. Rückblickend schilderte sie die Herausforderungen, die ab Sommer 2015 auf die Verantwortlichen zukamen: Waren es anfangs täglich über 100 Geflüchtete, kamen schon bald jeden Tag mehr als 1.500 Menschen, die als Erstes ein Dach über dem Kopf und Betten brauchten. Schnell waren alle Matratzen vergriffen und die Beschaffung neuer erwies sich als äußerst schwierig. Am 17. November 2015 waren bereits 37.500 Geflüchtete in Niedersachsen angekommen, die versorgt und erfasst werden mussten. Deshalb wurden die Erstaufnahme-Standorte erweitert. Heute gibt es in Niedersachsen zwei Ankunftszentren und vier Erstaufnahme-Einrichtungen. Erst vor Kurzem wurde das Ankunftszentrum in Bramsche-Hesepe eröffnet, das früher als Erstaufnahme-Einrichtung diente. Das zweite Ankunftzentrum in Bad Fallingbostel ist sehr umstritten: Neben der eingezäunten NATO-Kaserne liegt ein Schießübungsgelände; der Zutritt für die Betreuer der Geflüchteten ist nahezu unmöglich.
Forderung: Deutliche Verbesserung beim Familiennachzug
Dr. Graf führte weiter aus, dass es im Januar und Februar dieses Jahres noch starke Zugänge gab, seit März habe sich die Zahl der Geflüchteten aber deutlich verringert. Da sie sich im Ministerium bewusst seien, dass in Zukunft wieder mit mehr Migration und Zuflucht zu rechnen sei, würde jetzt daran gearbeitet, dass demnächst 20.000 Betten zur Verfügung stünden. Aus dem Kreis der Initiativen kamen nach der Rede Forderungen nach früheren Möglichkeiten der Vorbereitung auf die Anhörungen und eine deutliche Verbesserung beim Familiennachzug durch die politisch Verantwortlichen.
„Clusterverfahren“ teilt Asylsuchende in vier Gruppen ein
Zum Tagesordnungspunkt „Asylverfahren aus Sicht des BAMF“ war Katja Wilken-Klein, Leiterin Operativer Bereich im BAMF, aus Nürnberg angereist. Sie stellte gemeinsam mit Detlef Schütte, BAMF-Referatsleiter Friedland und BAMF-Ansprechpartner für Niedersachsen/Bremen, das Thema „Integriertes Flüchtlingsmanagement – Zielsystem Deutschland“ vor. Demnach seien die Ankunftszentren der zentrale Zugangspunkt zum Asylverfahren. Hier würden alle für das Asylverfahren erforderlichen Schritte durchgeführt. Das betreffe die Erfassung der persönlichen Daten und Identitätsprüfungen, Antragstellung, Anhörung und Entscheidungen über den Asylantrag durch das BAMF, ärztliche Untersuchungen durch die Länder und schließlich eine Erstberatung zum Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Arbeitsagentur. Seit Sommer 2015 habe die Verfahrensdauer für Personen aus bestimmten Herkunftsländern durch eine Einteilung der Asylsuchenden vor der Antragstellung in vier Gruppen auf wenige Wochen verkürzt werden können. Diese auch „Clusterverfahren“ genannte Einteilung gliedert sich in Cluster A: Herkunftsländer mit hoher Schutzquozte (ab 50 %), Cluster B: Herkunftsländer mit geringer Schutzqote (bis 20 %), Cluster C: komplexe Profillagen und Cluster D: Dublin-Fälle.
Zünglein an der Waage: „Flucht vor Krieg“ oder „persönliche Verfolgung“?
Durch Fragen erfuhren die Teilnehmenden, dass die Interessen besonders hilfsbedürftiger Personengruppen – zum Beispiel Kranke oder alleinstehende Frauen mit Kindern – in den Ankunftszentren berücksichtig würden. Außerdem gebe es zurzeit bundesweit 2.700 Entscheider und Anhörer und Syrer*innen erhielten derzeit etwa zur Hälfte subsidiären Schutz und zur Hälfte den besseren Flüchtlingsstatus (Asylberechtigung). Letzteres löste eine Debatte aus, wie eine frühere Beratungsmöglichkeit der ankommenden syrischen Flüchtlinge gewährleistet werden könne. Schließlich wüssten die Betroffenen nicht, dass die Angabe „Flucht vor Krieg“ als Ursache lediglich den subsidiären Schutz nach sich ziehe, eine „persönliche Verfolgung“ aber den Flüchtlingsstatus rechtfertige.
Caritas: Asylverfahrensberatung in Erstaufnahmeeinrichtungen zwingend notwendig
Nach einer Pause sprach Thomas Heek, Leiter der Caritasstelle Friedland, über „Anforderungen an die Erstaufnahme und die Rolle einer unabhängigen Asylverfahrensberatung aus NGO-Perspektive“ Hierbei analysierte Heek das heute gängige Asylverfahren, zeigte Schwächen im System und in der Praxis beim Prozess der Erstaufnahme auf und formulierte Forderungen, die den meisten der dort versammelten Initiativen auf den Nägeln brannten: Beispielsweise würden in der medizinischen Vorsorge der Ankommenden in Deutschland noch immer nicht alle EU-Richtlinien umgesetzt. Bei der Erstaufnahme sollten Schutzbedürftige besser identifiziert werden, dazu zählten UMF, Behinderte, Schwangere, Traumatisierte u. a., denn nicht alle Anzeichen wären auf Anhieb sichtbar, sondern müssten ermittelt werden. Medizinische Behandlungen und Diagnose müssten zu Beginn des Asylverfahren unter Einbeziehung von Sozialdiensten erfolgen. Dem aber stehe die Beschleunigung der Asylprüfungsprozesse im Wege. Fatal sei, dass Flüchtlinge heute ins Asylverfahren gingen, ohne zu wissen wie das Verfahren funktioniert und welche Personen für sie zuständig sind. Daher sei Asylverfahrensberatung in der Erstaufnahme zwingend notwendig. Man könne feststellen, dass sowohl die Beschleunigung der Verfahren als auch die „Verclusterung“ dazu führe, dass keine Chance bestehe, die Betroffenen konkret zu beraten.