von Sara Höweler
Es ist ein Trauerspiel und zutiefst besorgniserregender Ausdruck eines Systems, das immer menschenverachtender wird: Diese Woche hat der Deutsche Bundestag den Familiennachzug für subsidiär Geschützte abgeschafft und eine äußerst merkwürdige Obergrenze für Familienangehörige eingeführt. Monatlich „können“ ab August tausend Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten aus humanitären Gründen nachziehen. Wie diese ausgewählt werden, ist noch unklar. Das Entscheidende ist: Was früher ein Rechtsanspruch war, ist nun reines Glücksspiel und verwehrt weiterhin tausenden Menschen die Möglichkeit, mit ihrer Familie in Sicherheit zusammen zu leben.
Denn wer erhält überhaupt subsidiären Schutz? Das Asylgesetz fasst darunter Menschen, denen bei Rückkehr in die Heimat „ernsthafter Schaden“ droht, etwa durch Todesstrafe, Folter, erniedrigende Behandlung oder willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Folteropfern und Kriegsflüchtlingen wird damit das Menschenrecht verwehrt, mit ihrer Familie zusammenzuleben. An dieser Rechtslage verzweifeln Menschen, die ohne ihre Familie hergekommen sind (weil der Weg zum Beispiel zu gefährlich war oder zu teuer oder die Angehörigen nicht reisefähig waren) schon seit zwei Jahren, als die Regelung zunächst zeitlich begrenzt eingeführt wurde. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen haben die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte fortlaufend und vehement kritisiert. Auch wir haben uns mehrfach dazu geäußert – zuletzt in einem offenen Brief, den auch terre des hommes, Diakonie, Caritas, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und viele andere unterzeichnet haben (s. exilverein.de/familien-schuetzen). Nun ist das geschehen, was viele befürchtet haben: Die auf zwei Jahre begrenzte Regelung ist zum gesetzlichen Dauerzustand geworden.
Was eine Mehrheit der Politiker*innen im Deutschen Bundestag entschieden hat, ist ein weiteres Einvernehmen mit Positionen der AfD und anderer Rechtspopulist*innen. Es ist traurig, wenn in einem reichen Land wie Deutschland die Frage, ob Kinder in den Flieger steigen dürfen, um sicher zu ihren Eltern oder einem Elternteil nach Deutschland zu reisen, zur Gretchenfrage einer Koalition werden kann. Es handelt sich de facto um die Abschaffung des Menschenrechts auf Familie und bedarf daher klarer Worte: Was ihr getan habt, ist beschämend.