Osnabrück als Symbol für Freiheit – Lesung der Brüder Sadinam

Brüder Sadinam, Foto: NOZ/Carolin Hlawatsch

von Sara Höweler

Die Besucher im StadtgalerieCafé sind mucksmäuschenstill. Selbst in den letzten Reihen herrscht Stille. Nur Mojtaba Sadinams Stimme ist zu hören: „Madar ballte ihre Finger zu Fäusten und schlug immer wieder auf den Tisch, dann auf ihre eigene Brust und wieder auf den Tisch. Sie schrie. Sie weinte. Meine Brüder riefen mit tränenerstickten Stimmen: „Madar! Madar!“ Aber sie reagierte nicht, sie hörte uns nicht einmal. Das Hämmern gegen das Holz, die verzweifelten Rufe, die angsterfüllten Blicke – es war, als wäre ich wieder im Albtraum von heute Morgen.“

Mojtaba liest aus dem Buch „Unerwünscht“, das er gemeinsam mit seinen Brüdern Masoud und Milad geschrieben hat, und schildert die Szene so plastisch, dass sie für das Publikum wie vor dem geistigen Auge abläuft: Wie die Mitarbeiter der Ausländerbehörde seiner Mutter mitteilen, dass sie ihre Ausbildung nicht fortsetzen darf und die ganze Familie auffordern, freiwillig zurück in den Iran zu reisen – nachdem sie schon neun Jahre in Deutschland gelebt haben. „Wir werden ihnen jeden Grund nehmen, hierbleiben zu wollen“, hatten die Sachbearbeiter Madar und ihren drei Söhnen gesagt.

Doch in den Iran können und wollen sie nicht zurück: Madar Sadinam hat sich in einer Frauenrechtsorganisation engagiert und gegen das Regime demonstriert. Als sie bei einer Flugblattaktion erwischt wurde, musste sie untertauchen und floh mit ihren drei Söhnen nach Deutschland. Würden sie in den Iran zurückkehren, würde Madar mindestens eine mehrjährige Gefängnisstrafe erwarten. Nach dem Gespräch in der Ausländerbehörde war sie so verzweifelt, dass sie versuchte, sich das Leben zu nehmen.

Doch glücklicherweise nimmt alles ein gutes Ende: Die Söhne erhalten Asyl, als der Antrag ihres Vaters, der nachgereist war, positiv beschieden wurde, und auch ihre Mutter wird letztlich in Deutschland anerkannt. Mittlerweile besitzen Masoud, Milad und Mojtaba sogar die deutsche Staatsbürgerschaft.

Osnabrück sei für sie ein Symbol von Freiheit, erzählt Mojtaba. Lange Zeit lebten sie im nur 20 Kilometer von Osnabrück entfernten Lengerich. Da sie als Asylbewerber von der Residenzpflicht in Nordrhein-Westfalen betroffen waren, durften sie ihre Freunde nicht ins niedersächsische Osnabrück begleiten, wenn diese dort ins Kino oder in die Disco gingen.

Ihre Geschichte habe ihnen gezeigt, dass „zumindest in bestimmter Hinsicht Flüchtlings- und Asylpolitik mit Integration und der Integrationsdebatte gar nichts zu tun hat. Das ist völlig unabhängig von den Integrationsleistungen einzelner Menschen“, sagt Masoud Sadinam. Mit ihrem Buch „Unerwünscht“ wollen sie dazu anregen, sich mit Flucht und Fluchtursachen auseinanderzusetzen und die deutsche Asylpolitik nicht einfach so unkritisch hinzunehmen.

Die zahlreichen Fragen und positiven Rückmeldungen aus dem Publikum zeigten, dass sie das bei ihrer Lesung im  StadtgalerieCafé geschafft haben.

Gefördert wurde die Veranstaltung von Osnabrück – Die Friedensstadt.

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